FAQs zum Thema Zwangsbehandlung

1. Eine ambulante Zwangsbehandlung ist nicht erlaubt.[1] Wie kann ich mich am besten gegen eine stationäre Zwangsbehandlung schützen?

Am besten eine Patientenverfügung verfassen, in der steht wie im Krankheitsfall behandelt oder nicht behandelt werden soll. Zudem ist zu empfehlen per Vorsorgevollmacht auch einen Bevollmächtigten einzusetzen, der wie Ärzte und Betreuer an eine Patientenverfügung gebunden ist (siehe dazu auch Punkt 6). Entwürfe finden sich z.B. unter diesem Link

2. Was ist, wenn ich noch keine Patientenverfügung habe. Ist eine drohende Verfestigung einer Erkrankung oder Krankheitstuneinsichtigkeit ein Grund zur Zwangsbehandlung?

Betroffene haben ein weitgehendes "Recht auf Freiheit zur Krankheit" [2]. Weder eine drohende Chronifizierung noch Krankheitstuneinsichtigkeit erlauben allein schon die zwangsweise Behandlung von Patienten.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Fall eines krankheitsuneinsichtigen Patienten, der nach Betreuungsrecht und nach dem Unterbringungsrecht (PsychKG) zwangsweise behandelt werden sollte, entschieden:

"Die Freiheit der Person ist ein so hohes Rechtsgut, daß sie nur aus besonders gewichtigem Grund angetastet werden darf (vgl. BVerfGE 45, 187 [223]). Die Einschränkung dieser Freiheit ist daher stets der strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen. (...) Die von den behandelnden Ärzten des Klinikums Magdeburg geäußerte Einschätzung, das Wahnsystem des Beschwerdeführers drohe sich zu verfestigen, rechtfertigt demgegenüber allein die Annahme einer Gefahr, die keinen Aufschub duldet, nicht. Das gilt vor allem auch darum, weil die Ärzte eine Selbst- oder Fremdgefährdung nicht feststellen konnten."  - BVerfG Beschluss 2 BvR 2270/96

3. Ist eine zwangsweise Unterbringung auch gleich die Erlaubnis zur Zwangsbehandlung?

Nein, ein Betroffener kann sich immer direkt auf seine in der Verfassung verankerten Grundrechte berufen.[3] Patienten die entscheidungsfähig (einwilligungsfähig) sind, dürfen nur bei Fremdgefährdung zwangsweise behandelt werden. Auch ein nicht-entscheidungsfähiger Patient, der niemand in der Klinik gefährdet, darf nur zwangsweise behandelt werden, wenn seine Gesundheit erheblich (lebensbedrohlich) gefährdet ist oder wenn sicher ist, dass der Patient im Nachhinein der Behandlung zustimmen wird, wenn er wieder entscheidungsfähig ist. Alle anderen Regelungen sind nicht verfassungskonform, da sie gegen das in Artikel 2 des Grundgesetz garantierte Recht des Patienten auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit in unverhältnismäßiger Weise verstoßen. Wenn wirklich unbedingt zwangsweise behandelt werden muss, dürfen auch nur die mildesten Mittel angewendet werden, also z.B. nur die Medikamente mit den geringsten Risiken und Nebenwirkungen. Sonst ist die Behandlung rechtswidrig.

4. Was kann gegen eine zwangsweise Unterbringung in der Klinik unternommen werden?

Beim zuständigen Landgericht kann Sofortige Beschwerde einlegen werden. Der Kernsatz einer Beschwerde lautet: "Gegen meine Unterbringung lege ich hiermit sofortige Beschwerde ein, da keine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung besteht." Das unter Punkt 2 zu findende Zitat des Bundesverfassungsgerichts sollte in der Beschwerde erwähnt werden. Auch sollte der vollständige Beschluss BVerfG 2 BvR 2270/96 des Bundesverfassungsgerichts der Beschwerde als Anlage beigefügt werden.  Generell ist einem Betroffenen von einer Begründung, dass er nicht krank sei, eher abzuraten.

Betroffene sind in Unterbringungs- und Betreuungsverfahren immer selbst verfahrensfähig, können also immer auch selbst Rechtsmittel einlegen (§ 70a FGG bzw. § 66 FGG).

5. Kann mir jemand bei der Beschwerde helfen?

Betroffene können sich in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren auch vertreten lassen. Nach § 67 Absatz 1 Satz 7 FGG bzw. § 70b Absatz 3 FGG kann zum Beispiel ein Freund als Verfahrensbevollmächtigter eingesetzt werden, der Beschwerden und andere Rechtsmittel einlegen kann. Ferner kann ein Betroffener auch immer einen Anwalt mit seiner Vertretung beauftragen, der ggf. über Beratungs- und Prozesskostenhilfe bezahlt werden kann. Beratungs- und Prozesskostenhilfe muss bei Gericht beantragt werden. Auch nahe Verwandte, z.B. auch Onkel/Tante und Neffe/Nichte, sind nach § 69g I FGG berechtigt Beschwerden einzulegen.

Generell ist davon auszugehen, dass fast immer ein Verfahrenspfleger eingesetzt werden muss, da jeder ein Grundrecht auf rechtliches Gehör hat (Artikel 103 GG). Wenn ein Richter der Auffassung ist, dass ein Betroffener sich selbst rechtlich vertreten kann, wird wohl nur selten noch ein Grund für eine zwangsweise Unterbringung gegeben sein. Der Betroffene kann dem Gericht auch vorschlagen einen bestimmten Anwalt oder Sachkundigen zum Verfahrenspfleger zu bestellen.

6. Ich habe gehört, dass Patientenverfügungen nicht verbindlich sein sollen ?

Patientenverfügungen als Schutz vor Zwangsbehandlungen sind gerade in der Psychiatrie rechtlich und ethisch völlig unproblematisch. Der Verfügende kennt in der Regel die Situation und die Entscheidungen haben keine lebensbedrohliche Wirkung. Es gibt zahlreiche Gerichtsbeschlüsse, die eine Verbindlichkeit von Willenserklärungen in Form von Vorausverfügung bestätigen.[4]

Patientenverfügungen sind verbindlich, wenn

1. der Patient bei der Ausstellung einwilligungsfähig ist, also weiß was er da verfügt und welche Konsequenzen das hat,

2. die konkrete Behandlungssituation benannt wird, und

3. der Patient nicht erkennbar von der Verfügung abrückt und sich die Sachlage nicht erheblich geändert hat, etwa in der Form, dass es neue erfolgversprechende Therapien gibt.

Sollte eine Patientenverfügung nicht die Voraussetzung der Verbindlichkeit erfüllen, ist sie dennoch ein wichtiger Hinweis für den Betreuer oder Bevollmächtigten.

Zur besseren Akzeptanz von Patientenverfügungen empfiehlt sich die Broschüre des Bundesjustizministeriums zur Patientenverfügung beizufügen. Link (pdf-Datei 532 kb)http://www.bmj.de/media/archive/1184.pdf 

Aus der Broschüre des Bundesjustizministerium:

"Wenn in einer Patientenverfügung Festlegungen für ärztliche Maßnahmen in bestimmten Situationen enthalten sind, sind diese Verbindlich, wenn durch diese Festlegungen ihr Wille für eine konkrete Behandlungssituation eindeutig und sicher festgestellt werden kann. Die Ärztin oder der Arzt muss eine derart verbindliche Patientenverfügung beachten. Die Missachtung des Patientenwillens kann als Körperverletzung strafbar sein. Der XII Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seiner Entscheidung vom 17. März 2003 betont, dass es die Würde des Menschen gebietet, ein im einwilligungsfähigen Zustand ausgeübtes Selbstbestimmungsrecht - etwa in Form einer Patientenverfügung - auch dann noch zu respektieren, wenn die Verfasserin oder der Verfasser der Patientenverfügung zu einer eigenverantwortlichen Entscheidung nicht mehr in der Lage ist. Das betont auch die Bundesärztekammer in ihren Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung, in denen es heißt: "Patientenverfügungen sind verbindlich, sofern sie sich auf die konkrete Behandlungssituation beziehen und keine Umstände erkennbar sind, dass der Patient sie nicht mehr gelten lassen würde"."

 

- Entwurf einer Patientenverfügung zum Schutz vor Zwangsbehandlungen

- Entwurf einer Vorsorgevollmacht und Informationen dazu

-       Weitere Informationen zum Betreuungsrecht 

 

- Ausführliche Darstellung der Rechtslage zur Zwangsbehandlung

 


[1] BGH Beschluss XII ZB 69/ 00

[2] BVerfGE Beschluss 58, 208 [224 ff.] i.V.m BVerfG Beschluss 2 BvR 2270/ 96

[3] BGH Beschluss XII ZB 69/ 00;  BGH Beschluss II ZB 236/ 05

[4] z.B.: BGH Beschluss XII ZB 236/ 05; OLG Celle Beschluss 17 W 37/05  i.V.m. BGH Beschluss XII ZB 236/ 05; BGH Beschluss XII ZR 177/03 

 

 

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